Nach der Phänomenologie von Einbildungskraft (2010) legt John Sallis eine Logik der Imagination vor. Sallis stellt sich in die Tradition Hegels, Husserls und Heideggers, wenn er versucht, den Anspruch der Logik über den Bereich der Sprache zu erweitern. Wenn wir in der Einbildungskraft aber auch Widersprüche erfahren, muss eine Logik der Imagination auch diesen gerecht werden. Nicht nur die Logik des Traums, auch die Tiefe des Erinnerns und die Uneinholbarkeit unserer Geburt erfassen wir nur in den Widersprüchen der Einbildungskraft. Mit dem Entwurf einer phänomenologischen Kosmologie erweitert Sallis die Logik der Imagination bis in die Unendlichkeit des Weltalls.
Das Buch präsentiert eine zusammenhängende Auswahl der bedeutendsten Arbeiten von John Sallis zur Philosophie Heideggers. Sallis gehört zu den wichtigsten Heidegger-Forschern und Vertretern der kontinentalen Philosophie in den USA. Sein besonderes Interesse gilt der Philosophie der Einbildungskraft; auch in Heidegger und der Sinn von Wahrheit widmet sich Sallis Heideggers Auseinandersetzung mit dem kantischen Begriff der Einbildungskraft in den dreißiger Jahren. Das Zentrum von Heideggers Philosophie aber stellt für Sallis der Sinn von Wahrheit dar: Heidegger ist der erste, der mit dem Denken von Wahrheit als Unverborgenheit die Unterscheidung von purer Sinnlichkeit und Idealität radikal in Frage stellt. Sallis zeichnet nach, wie sich diese Infragestellung aus Heideggers früher Zeitphilosophie des Daseins entwickelt und zugleich gegen deren Immanentismus arbeitet. Auf dem Wege einer genauen und kritischen Interpretation des Gesamtwerks zeigt Sallis, wie der Wahrheitsbegriff in die Erfahrung von Tod, Geschichte und der Möglichkeiten philosophischer Grundlegung hineinspielt und die wesentlichen Entzugsmomente in diesen Erfahrungen freilegt.
John Sallis untersucht den Kerngedanken der Einbildungskraft und zeigt, daß deren Kraft auf alle Bereiche des menschlichen Lebens Einfluß hat. Aus dem Blickwinkel der gegenwärtigen Dekonstuktion des klassischen Gegensatzes zwischen der intelligiblen und der sinnlichen Wirklichkeit setzt er sich kritisch mit der gesamten Geschichte der Philosophie auseinander. Dadurch, daß er das Wesen der Einbildungskraft hinterfragt, wendet sich seine Untersuchung dem Sinnlichen und dem Elementaren in der Natur zu. Er greift auf die Methoden der radikalisierten Phänomenologie und der Hermeneutik zurück, um ein ganz neues Konzept der Einbildungskraft zu erarbeiten. So wird deutlich, daß die Einbildungskraft eine zentrale Rolle für das Verständnis des Wesens von Zeit, Eigenen und Fremden sowie der Kunst spielt. Dies wird an Werken von Shakespeare, Keats und Hölderlin veranschaulicht. Der Autor zeigt, daß die Einbildungskraft, sobald sie von jeglicher Subjektivität befreit ist, die Momente unserer Wahrnehmung sinnlicher Dinge zusammenbringt und gleichzeitig die Wahrnehmung für Licht, Atmosphäre, Erde und Himmel öffnet.
Die Problemlage, von der Sallis ausgeht, ist die noch keineswegs bewältigte, aber auch nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg revidierbare Einsicht, dass die das abendländische Denken von Beginn an leitende Hoffnung, die dem Menschen gegebene Vernunft biete ihm die Chance zur Erkenntnis des Absoluten und damit der Sinnhaftigkeit seines Daseins, sich als eine unverzichtbare, aber uneinlösbare Illusion entpuppte. Da es nicht weiterhilft, das Scheitern aller Bemühungen um die Grundlegung einer die Sinnfrage verbindlich entscheidenden Metaphysik zu beklagen, unternimmt Sallis den Versuch, den Grenzpunkt zu bestimmen, an dem der Anspruch der Vernunft, der Erkenntnis des Absoluten mächtig zu sein, de facto zusammenbricht - denn nur von diesem Punkt aus läßt sich allenfalls eine Chance eröffnen, auf die Sinnfrage eine nichtmetaphysische, befriedigende Antwort zu finden. In vier aufeinanderfolgenden, von Stufe zu Stufe radikalisierten Interpretationsgängen gelingt Sallis der Nachweis, dass die von Kant in der 'Transzendentale Dialektik' aufgestellten Paralogismen und Antinomien den Grenzpunkt markieren, an dem deutlich wird, dass alle von Vernunft gesetzte Einheit notwendig fragmentarisch bleibt: was sie als ihre Leistung ansieht, das 'Versammeln von Mannigfaltigkeit in der Einheit', entspringt nicht der Autonomie des erkennenden Subjekts, sondern dem aller Ration uneinholbar vorausliegenden Spiel der Einbildungskraft.