Bruno Latour war ein einflussreicher Philosoph und Anthropologe, dessen Werk die komplexen Beziehungen zwischen Menschen und der Welt um sie herum erforschte. Sein interdisziplinärer Ansatz verband Soziologie, Anthropologie und Wissenschaftsstudien und stellte traditionelle Dichotomien wie Natur versus Kultur in Frage. Latour untersuchte unermüdlich, wie unsere modernen Überzeugungen und sozialen Strukturen durch materielle und immaterielle Entitäten geformt werden, die wir oft für selbstverständlich halten. Seine Schriften laden dazu ein, neu zu überdenken, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren.
Die Taliban haben die monumentalen Buddhastatuen von Bamijian aus ihren Felsnischen gesprengt. Wie kommt es, daß Bilder solche Leidenschaften auslösen und daß Generationen von Bilderstürmern von Haß und Fanatismus begleitet waren? Auf der anderen Seite des Bilderverbots gibt es die Bilderverehrung, die Faszination durch Bilder und ihre massenhafte Verbreitung, so daß sich die Bilder in ihrer Flut gegenseitig erschlagen.
Die moderne Wissenschaft hat tiefgreifend unser Verständnis der Natur geprägt. In den letzten drei Jahrhunderten bildete diese Idee der Natur den Hintergrund all unseres Tuns. Aufgrund der ökologischen Folgen des menschlichen Handelns tritt die Natur jedoch heute aus dem Hintergrund auf die Bühne, wie Bruno Latour in seinem faszinierenden Buch zeigt. Die Luft, die Meere, die Gletscher, das Klima, die Böden, alles interagiert mit uns. Wir haben die Epoche der Geohistorie betreten, das Zeitalter des Anthropozäns – mit dem Risiko eines Krieges aller gegen alle. Die alte Natur verschwindet und weicht einem Wesen, das schwierig zu bestimmen ist. Es ist alles andere als stabil und besteht aus einer Reihe von Feedbackschleifen in ständiger Bewegung. Gaia ist sein Name. Latour argumentiert, dass die komplexe und mehrdeutige Gaia-Hypothese, wie sie von James Lovelock entwickelt wurde, ein idealer Weg ist, um die ethischen, politischen, theologischen und wissenschaftlichen Aspekte des nunmehr veralteten Begriffs der Natur zu entwirren. Er legt den Grundstein für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Theologen, Aktivisten und Künstlern, während wir beginnen, mit dem neuen Klimaregime zu leben.
Die katastrophalen Folgen unseres Handelns für die Natur sind inzwischen bekannt. Doch die Emissionen steigen weiter. Gegen das Mantra vom wirtschaftlichen Wachstum wirken die Kassandrarufe junger Aktivist:innen oft ohnmächtig. Und während sich im Namen von Freiheit und Gleichheit einst Massen mobilisieren ließen, führt der Klimaschutz zu neuen Spaltungen. Man denke nur an die Gelbwestenproteste in Frankreich. Für Bruno Latour und Nikolaj Schultz ist klar: So wie einst die Arbeiterklasse den sozialen Fortschritt erkämpfte, bedarf es heute einer ökologischen Klasse, um den Klimawandel aufzuhalten. Wo Bewegungen wie Fridays For Future und lokale Organisationen oft getrennt agieren, plädieren die Soziologen für eine Politik, die den Schutz unserer Lebensgrundlagen ins Zentrum gemeinsamer Anstrengungen stellt. Die Geschichte der Menschen, hieß es bei Marx und Engels, sei die Geschichte von Klassenkämpfen. Kommt es nicht zur Entstehung einer ökologischen Klasse, so Latour und Schultz, wird die Menschheit keine Zukunft haben.
„Glaubst du an die Wirklichkeit?“ Diese Frage eines Kollegen verwunderte Bruno Latour. In diesem Buch liefert er seine detaillierte Antwort. Anhand verschiedener Fallstudien - eine bodenkundliche Expedition im Regenwald des Amazonas, die französische Atomforschung kurz vor der Okkupation, die Entdeckung des Milchsäureferments durch Pasteur - nimmt Latour die vieldiskutierte Frage auf, ob die im Labor gewonnen Tatsachen „konstruiert“ oder „wirklich“ sind. Doch bereits diese Frage soll vor allem eine polemische Form des wissenschaftlichen „Objekts“ begründen und ist Teil der gegenwärtigen „Science Wars“, die er bis in die Antike verfolgt. Bei aller Instrumentalisierung der Wissenschaften zum Zweck der Bevormundung, ist Latour dennoch kein Wissenschaftsgegner, sondern für die Forschung in ihrem offenen Experimentieren.
Vor zwanzig Jahren stellte der französische Soziologe und Philosoph Bruno Latour fest, dass wir nie modern gewesen seien, und entwickelte eine „symmetrische Anthropologie“, die die Trennung von Natur und Kultur hinterfragt. In seinem neuen Hauptwerk vertieft er dieses Konzept mit einer „Anthropologie der Modernen“ und untersucht die verschiedenen Existenzweisen von Wissenschaft, Technologie, Recht, Religion, Wirtschaft und Politik in der modernen Welt. Latour beginnt mit der globalen Verflechtung aller Lebensbereiche, die besonders durch das Klimawandelproblem sichtbar wird. Dabei wird deutlich, dass es unterschiedliche Handlungssphären gibt, die jeweils eigene Existenzweisen besitzen: Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer agieren in ihren jeweiligen Kontexten und können wissenschaftliche Ergebnisse nicht einfach in politische oder wirtschaftliche Handlungen umsetzen. Diese Existenzmodi sind jedoch nicht unabhängig, sondern durchdringen sich gegenseitig und schaffen gemeinsam Probleme, die auch gemeinsam gelöst werden müssen. Latour plädiert für eine neue Form der „Diplomatie“, die zwischen diesen Existenzweisen vermittelt. Die Zukunft unseres Planeten steht auf dem Spiel, und dieses grundlegende Werk versucht, eine solche diplomatische Vermittlung zu leisten, um endlich modern zu werden.
»Man muß die Gesellschaft verändern!« – Diese Parole aus alter Zeit ist nach wie vor aktuell, denn die heutige Gesellschaft ist voller Härte und Zumutungen. Um diese Veränderung zu ermöglichen, sollte man aber vielleicht erst einmal versuchen, den Begriff »Gesellschaft« zu verändern und den Riß zwischen der Praxis der Soziologie, der Theorie der Politik und des Glaubens an die Idee der Gesellschaft zu schließen. Um einen Ausweg aus dieser Krise zu finden, sollte – so die provokative These dieses Buchs – diese Spannung bis zum äußersten ausgereizt werden. Bruno Latour, der die etablierten Grenzen zwischen Wissenschaft, Kultur, Technik und Natur eingerissen hat, unterscheidet zwei unterschiedliche Konzepte von Gesellschaft. Das eine betrachtet »Gesellschaft« als eine unveränderliche abstrakte Entität, die ihren Schatten auf andere Bereiche wirft: auf die Wirtschaft, das Recht, die Wissenschaft etc. Für das andere ist »Gesellschaft« notwendig instabil: eine unerwartete Verbindung von ganz unterschiedlichen Akteuren, die die Gewißheit, einer gemeinsamen Welt anzugehören, in Frage stellen. Die Analyse dieser Verbindung ist nach Bruno Latour Aufgabe der Soziologie.
Am Beginn der modernen Naturwissenschaft steht die strikte Trennung von Natur und Gesellschaft, von „natürlichen“ und „gesellschaftlichen“ Instanzen. Bruno Latour optiert in seinem Klassiker der modernen Soziologie dafür, sich diese Trennung etwas genauer anzusehen. Seine These lautet: Je strikter und gründlicher diese Trennung in der Moderne vollzogen wurde, um so besser konnten sich zwischen den getrennten Bereichen „Quasiobjekte“ ausbreiten, die sowohl natürlich als auch gesellschaftlich determiniert sind. Diese hybriden „Quasiobjekte“, welche die Moderne ausgeblendet hat, gilt es anzuerkennen. Nur dann nämlich kann das zweifelhaft gewordene Credo der Moderne, daß ökonomische Rationalität, wissenschaftliche Wahrheit und Technik bereits Garanten eines sinnvollen Fortschritts sind, verabschiedet werden, ohne gleich in den Katzenjammer der Postmoderne zu verfallen.
Der Wissenschaftsforscher Bruno Latour wendet sich gegen eine um sich greifende antiaufklärerische Haltung der Kritik, der Geisteswissenschaften, die unappetitliche Verwandtschaften hervorbringt. Wie erklärt es sich, dass unter Intellektuellen weithin unhinterfragt Verschwörungstheorien – etwa bezüglich des 11. September – als Wahrheiten ins Feld geführt werden? Bruno Latour macht in einem lange gepflegten, exzessiven Misstrauen in unverrückbare Tatsachen, die allzu leichtfertig als ideologische Vorurteile ausgegeben werden, eine Hauptgefahr für diese beunruhigende (da selbstentmachtende) Bewegung aus. Generiert womöglich die Kritik selbst diese Effekte, hat sie ihre eigenen »kritischen« Werkzeuge nicht mehr im Griff? Ist Kritik ganz und gar zahnlos geworden?
Latour fordert, das eigene Rüstzeug einer kritischen Betrachtung zu unterziehen – und, wenn nötig, komplett auszuwechseln: »Ist es etwa zuviel verlangt, von unser aller intellektuellen Existenz zu fordern, wenigstens einmal im Jahrhundert ein paar neue kritische Werkzeuge bereitzustellen? Ist es nicht äußerst demütigend, mitanzusehen, daß Militärs wendiger, wachsamer, innovativer sind als wir?«
Nach Bruno Latour kann es auf die Frage »Was tun?« nur eine Antwort geben: »Politische Ökologie!« Diese Antwort läßt allerdings in unserem alltäglichen Verständnis von Ökologie und in dem traditionellen Begriffsgefüge von polis, logos und physis keinen Stein auf dem anderen. Latour geht es nicht mehr einfach darum, die Idee der Natur in die Politik einzubringen. Vielmehr muß Ökologie als politische Philosophie der Natur begriffen werden und sich dem Risiko der Metaphysik stellen. Nur wenn sie erkennt, daß Natur keinen besonderen Bereich der Realität darstellt, sondern daß sie von bestimmten Konzeptionen der Wissenschaft abhängt, kann sie wirksam erneuert werden: als politische Epistemologie. Sie wird die Wissenschaft durch Wissenschaften ersetzen müssen und sie wird diese auf der Grundlage der vergleichenden Anthropologie neu begreifen: als Sozialisation nichtmenschlicher Wesen.
Eine Serie politischer Unwetter hat die Welt durcheinandergebracht. Die Instrumente, mit denen wir uns früher orientierten, funktionieren nicht mehr. Verstanden wir Politik lange als einen Zeitstrahl, der von einer lokalen Vergangenheit in eine globale Zukunft führen würde, realisieren wir nun, dass der Globus für unsere Globalisierungspläne zu klein ist. Der Weg in eine behütetere Vergangenheit erweist sich ebenfalls als Fiktion. Wir hängen in der Luft, der jähe Absturz droht. In dieser brisanten Situation gilt es zuallererst, wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen und sich dann neu zu orientieren. Bruno Latour unternimmt den Versuch, die Landschaft des Politischen neu zu vermessen und unsere politischen Leidenschaften auf neue Gegenstände auszurichten. Jenseits überkommener Unterscheidungen wie links und rechts, fortschrittlich und reaktionär plädiert er für eine radikal materialistische Politik, die nicht nur den Produktionsprozess einbezieht, sondern auch die ökologischen Bedingungen unserer Existenz.