Siegfried Kracauer Bücher
Dieser Denker befasste sich mit Phänomenen der modernen Gesellschaft, von Kriminalromanen bis hin zu Film und der Kultur der Massenunterhaltung. Seine Analysen konzentrierten sich darauf, wie sich Individuen in ihrer spirituellen Orientierungslosigkeit den „Unterhaltungsindustrien“ zuwenden, was zu scharfen Kritiken des Kapitalismus und totalitärer Regime führte. Kracauers Werke legten die Grundlagen der modernen Filmkritik und erforschten die psychologischen Wurzeln gesellschaftlicher Phänomene.







Theorie des Films
Die Errettung der äußeren Wirklichkeit
Kracauers zuerst 1960 in Amerika erschienene Theorie des Films ist eine materiale Ästhetik, die sich mit Inhalten beschäftigt. Sie beruht auf der Annahme, daß der Film im wesentlichen eine Erweiterung der Fotografie ist und daher eine ausgesprochene Affinität zur sichtbaren Welt hat. Das bedeutet eine Absage an alle Filme mit ›theatralischer‹ Story, mit ›künstlerischen‹ oder ideologischen Ambitionen. Filme, die ihrem Medium gerecht werden, registrieren jedoch nicht nur, sondern enthüllen, ›erretten‹ die äußere Wirklichkeit: sie öffnen unseren Blick für das Kleine, Zufällige, Unbeabsichtigte und Unbestimmte.
Hier treten auf: die Dandys, die Bohemiens, die Kurtisanen, der alte und der neue Adel, die Finanzaristokratie, die Journalisten, das Volk. Die Schauplätze sind: die Boulevards, die Salons, Theater, Cafes. Die Ereignisse: Premieren, Weltausstellungen, Revolutionen, Alltag. In seinem brillanten Offenbach-Buch betreibt der bekannte Intellektuelle der Weimarer Zeit Siegfried Kracauer eine listige Mimikry an jenem Genre Romanbiographik, das er zuvor vernichtend analysierte. Manche Passagen wirken wie ironische Zitate; sie liefern deren Pseudo-lndividualismus und erschlichene Unmittelbarkeit ans entlarvende Klischee aus.
Knabe und Stier. Zwei Flächen. Analyse eines Stadtplans. Die Photographie. Die Reise und der Tanz. Das Ornament der Masse. Über Erfolgsbücher und ihr Publikum. Die Biographie als neubürgerliche Kunstform. Aufruhr der Mittelschichten. Die Wartenden. Die Gruppe als Ideenträger. Die Hotelhalle. Die Bibel auf Deutsch. Katholizismus und Relativismus. Die Wissenschaftskrisis. Georg Simmel. Zu den Schriften Walter Benjamins. Franz Kafka. Kalikowelt. Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino. Film 1928. Kult der Zerstreuung. Langeweile. Abschied von der Lindenpassage.
Dieser Band vereint drei bedeutende monographische Studien von Kracauer aus den 1920er Jahren: die erkenntnistheoretische Abhandlung "Soziologie als Wissenschaft" (1922), den unpublizierten Traktat "Der Detektiv-Roman" und die soziologische Untersuchung "Die Angestellten" (1929/30).
Die vorliegende Taschenbuchausgabe ist identisch mit der 1979 im Rahmen der Schriften Kracauers erschienenen Ausgabe - einer sorgfältigen Neuübertragung, die erstmals den gesamten Text des Buches in deutscher Sprache brachte. Erst mit dieser Ausgabe konnte dem deutschen Leser die von Kracauer gezogene Linie »von Caligari zu Hitler« einsichtig werden. Kracauer begreift Film als ein Medium, das Gesellschaftliches in gleicher Weise widerspiegelt wie kanalisiert, verschleiert wie entschlüsselt - in wechselnden Graden der Bewußtheit bzw. Blindheit.
Siegfried Kracauer, geboren am 8. Februar 1889 in Frankfurt am Main, war Architekt, Soziologe, Filmkritiker und Geschichtsphilosoph. Er gilt als einer der bedeutendsten Feuilletonisten der Weimarer Republik und leitete von 1930 bis 1933 die Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Zeitung. Mit Die Angestellten veröffentlichte Kracauer 1930 die erste empirisch-soziologische Studie in Deutschland. Er wird darüber hinaus zu den Begründern der Filmsoziologe gezählt. 1933 floh Kracauer mit seiner Frau nach Paris und 1941, nach Kriegsbeginn, nach New York. Am 26. November 1966 starb er dort an einer Lungenentzündung. Zu den wichtigsten Werken Kracauers zählen neben Die Angestellten u. a. die Theorie des Films , die Essaysammlung Von Caligari zu Hitler und der Roman Ginster .
Ginster
Roman
Ein »Drückeberger« als Held: Ginster ist 25, als der Erste Weltkrieg ausbricht, ein begabter Frankfurter Architekt. Der patriotischen Begeisterung seiner Zeitgenossen steht er skeptisch gegenüber, und so verwendet er einige Mühe darauf, sich immer wieder vom Kriegsdienst zurückstellen zu lassen – das Vaterland braucht seine Architekten schließlich nicht an der Front, sondern zu Hause, wo etwa Granatfabriken und Ehrenfriedhöfe für die gefallenen Soldaten zu planen sind. Doch dann ereilt auch Ginster der Gestellungsbefehl. Weit weg von den Schlachtfeldern lernt er, mit militärischer Präzision ein Bett zu bauen, zu schießen und »gegen die Feinde Kartoffeln zu schälen«. Und es festigt sich in ihm die Überzeugung, dass all diese Übungen nicht dem Krieg dienen, sondern der ganze Krieg ein Vorwand für die Übungen ist. Im Frankfurt des Ersten Weltkriegs spielt dieser Roman, der den literarischen Ruhm seines Autors begründete. Es ist das faszinierende Porträt eines Mannes, dessen Haltung zur Welt und ihren Widersprüchen oft mit Chaplin und Keaton verglichen worden ist.



